Ist dir bewusst, dass dir in den meisten Fällen allein die Vorstellung von etwas ein gutes oder schlechtes Gefühl vermittelt? Ein bisschen wie der Glaube an etwas. Und deine eigenen Gebote sind die Sätze, die du dir sagst, an die du selbst glaubst, deine Glaubenssätze. Machen wir uns hiermit selbst etwas vor? Wollen wir manchmal vielleicht auch einfach nur das? Warum das Hinterfragen der eigenen Glaubenssätze so wichtig ist, wie du das machen kannst und was das mit meiner Hafermilch zu tun hat, erfährst du in diesen einfachen Zeilen.
Ich sitze am Küchentisch und trinke einen Kaffee. Dass mir dabei gern mal Analogien einfallen und ich von meiner French Press zum Stressabbau komme, hast du möglicherweise schon mitbekommen. Heute fällt mein Blick auf die Hafermilch, die ich allzu gern mit meinem Kaffee trinke. An der Packung ist erstmal nichts Besonderes. Das Tetrapak verspricht "zu schützen, was gut ist", so wie es das wohl auch bei jedem x-beliebigen Orangensaft macht. Also was war beim Betrachten der Hafermilch so besonders, was mich diesen Artikel schreiben lässt? Der Zucker-Gehalt? Nein, über den habe ich mich ja schon mal (zumindest innerlich) aufgeregt. Ich erzähle dir also nichts über besondere Herstellungsverfahren von veganen Produkten. Das können andere Menschen besser machen. Mein Blick und dieser Text gilt etwas viel Banalerem.
Als ich meinen Blick über die Verpackung schweifen lasse, fällt mir der Herstellungsort ins Auge: Deutschland. Schon mal ein Pluspunkt auf meiner "Ich möchte nachhaltiger leben"-Liste. Hafer aus Deutschland wird in Deutschland für mich als in-Deutschland-Lebende in Hafermilch verwandelt. Das klingt super! Ob der Hafer nun in der Nähe von Kiel angebaut und im LKW durch den Elbtunnel in den Süden gefahren wird, um dort verarbeitet und im Anschluss wieder zurück in den Norden zu mir an den Tisch gebracht zu werden, spielt in meiner Vorstellung erstmal keine Rolle. Der Hafer kommt aus dem Inland und wird dort verarbeitet. Diese Vorstellung macht mir ein gutes Gefühl und daran möchte ich glauben. Dabei habe ich in Wirklichkeit keinerlei Ahnung davon, wie das genau aussieht. Ich gebe mich mit meiner Vorstellung und dem daraus resultierenden (in diesem Fall durchaus guten) Gefühl zufrieden. In meiner Vorstellung tue ich etwas Gutes, leiste meinen Beitrag für die Umwelt und darf mich deswegen laut innerem Glaubenssatz gut fühlen.
Boom!
Das hat jetzt gesessen!
Und woher kommt der Hafer für deinen Haferdrink?
Oder trinkst du noch die Muttermilch einer anderen Spezies?
So oder so ähnlich könnte jetzt eine hervorragende "Gesprächseröffnung" beginnen. Im Übrigen stellen sich allein beim Schreiben solcher Wertungen meine eigenen Nackenhaare auf. Ich gehe damit auf Angriff und erwarte schon innerlich Gegenwehr. Ich bereite mich darauf vor meine Vorstellung zu verteidigen. Immerhin habe ich mich mit dieser Art von Formulierung höher gestellt als dich oder dich herabgewürdigt. Je nach dem wie wir beide solche Sätze für uns lesen und auf Basis unserer Glaubenssätze interpretieren. Wenn es um die Themen Ernährung oder Nachhaltigkeit geht, empfinde ich Gespräche öfter so. Viele wollen sich besser fühlen. Das ist auch erstmal ok, solange der Vergleich "besser als" sich auf die eigene Lebenssituation vor und nach einer Veränderung bezieht. Das schadet niemanden und verbessert einfach deine eigene Situation. Prima. Wenn aus dem "besser als vorher" ein "besser als die anderen" wird, dann wird es kritisch. Damit erheben wir uns über andere und erschaffen ein Ungleichgewicht.
Genau das ist Bullshit.
Hat damit irgendeine Seite am Ende gewonnen? Wissen wir dann, was "der richtige Weg" ist?
Nein.
Was wir damit erreichen, ist eine Art von Krieg und das (unterschwellige) Bedürfnis für "das Richtige" zu kämpfen. "Das Richtige" bestimmt sich dabei für jede Seite anhand der jeweiligen Glaubenssätze und ist damit in der jeweiligen Vorstellung auch das Richtige. Schon haben wir mindestens zweimal etwas Richtiges. Das funktioniert für die meisten nicht. Es kann immerhin nur EIN RICHTIG geben (auch ein begehrter Glaubenssatz). Doch was ist, wenn es "das eine richtige" gar nicht gibt? Was ist, wenn wir durch "Meine Vorstellung ist die richtige" nur erreichen, dass andere nach Fehlern in meiner Vorstellung suchen und mir beweisen wollen, dass sie falsch ist. Da geht es plötzlich nicht mehr um die Sache und das allgemeingültige Wahre, zu finden. Keiner sucht mehr nach der "richtigen" Lösung. Alle sind damit beschäftigt, Vorstellungen von anderen zu torpedieren, gewaltsam die eigene Vorstellung als die ultimative Wahrheit hinzustellen (und primär das darauf begründete Gefühl zu verteidigen).
Das Thema der Vorstellung ist im Übrigen nahezu frei wähl- und austauschbar:
Wir Menschen sind kreativ darin, eigene Vorstellungen zu entwickeln und daran zu glauben. Denn sind wir mal ehrlich. Uns einzugestehen, dass wir nichts wissen und uns im Grunde Unsicherheit umgibt, wäre doch fatal!
Wenn wir wollen, finden wir immer Themen, mit denen wir uns gut fühlen (möglicherweise besser als andere, weil wir gern besonders wären). Wir haben eine Vorstellung davon, was daran gut ist. Dabei können wir es übrigens auch belassen. Denn weißt du, was das verrückt ist? Es braucht gar kein "Ich bin besser". Es gibt die Möglichkeit, ohne Wertung und Vergleich von deiner Vorstellung zu erzählen. Verrate doch deinem Gegenüber, warum du lieber Hafermilch aus Deutschland trinkst. Vielleicht hast du Infos recherchiert, die dein Gegenüber noch nicht kennt, die in seiner oder ihrer Vorstellung gar nicht existierten. Ein "Ich habe mich dazu entschieden, weil..." ist völlig unabhängig und frei von Angriff.
Ich bin das ständige Kämpfen leid!
Ein kleiner Schwank aus meinem Leben: Es gibt Menschen, die brauchen nur das Wort "vegan" zu hören und sie scheinen sich angegriffen zu fühlen. Es reicht neben ihnen ein pflanzliches Würstchen zu essen, um eine Argumentationskette oder wertende Bemerkungen loszutreten. Ich bin es leid. Früher bin ich darauf eingestiegen, weil ich mich selbst angegriffen gefühlt habe. In meiner Wahrnehmung zu Unrecht attackiert. Ich wollte erklären, warum... Ich wollte meine positiven Erfahrungen teilen... Doch soweit kam ich in den seltensten Fällen. Das war frustrierend. Irgendwann verstand ich, dass es nicht um das Essen, nicht um das Thema selbst ging.
Es ging um Vorstellungen. Vorstellungen prallten, wenn auch unbeabsichtigt, aufeinander. Möglicherweise die Vorstellung von militanten, vegan lebenden Menschen, die nur missionieren wollten (und damit schlechte Gefühle beim Gegenüber auslösen. Wer will das denn bitte auch?). Dann lieber selbst angreifen. Oder die Vorstellung der eigenen Ernährungsweise bröckelte beim Anblick der pflanzlichen Würstchen (dahin ist das gut aufgebaute Gefühl von Sicherheit. Das darf nicht sein, denn Menschen lieben Gewohnheit!). Wer weiß das schon. Ich weiß es nicht. Damals habe ich nämlich nie danach gefragt, warum auf mich eingeredet wurde. Ich zog mich zurück, ließ einen Monolog über mich ergehen oder wechselte das Thema. Heute würde ich nachfragen, wie die Vorstellung meines Gegenübers aussieht. Vielleicht habe ich meine Welt noch nicht durch diese Brille gesehen. Doch wenn es nicht um Austausch geht, sondern ums "Recht haben", werde ich nicht mehr kämpfen. Das ständige kämpfen bin ich leid.
Keiner von uns kann die Welt im Ganzen erfassen. Wir haben alle eine andere Perspektive. Ein und dieselbe Haferdrink-Verpackung sieht aus jedem Winkel betrachtet anders aus. Und steht sie auf einem undurchsichtigen Tisch, können wir sie nicht einmal in ihrer äußeren Hülle komplett betrachten. Das Innere bleibt uns von vornherein verborgen.
Was will ich damit sagen?
Wir können Menschen weiterhin stumpfsinnig nach ihrer äußeren Hülle aus unserer einfachen Perspektive betrachten, sie darauf basierend bewerten und uns unsere Vorstellung von ihrem Leben, ihrem Inneren, den Gedanken und Gefühlen machen.
Oder...
Wir hinterfragen unsere Vorstellung und negavtiven sowie positiven Glaubenssätze, nehmen mal eine andere Perspektive ein und fragen, wie es im Inneren unseres Gegenübers wirklich aussieht.
Neben Verallgemeinerungen schenke ich in der nachfolgenden Liste noch weitere Beispiele für Glaubenssätze. Es sind im Übrigen eher die negativen Glaubenssätze, die uns in unserer Entwicklung einschränken:
In meiner Coaching-Ausbildung bei Greator habe ich eine Methode gelernt, mit der ich Glaubenssätze (sofern ich sie denn erstmal erkannt habe) zu überprüfen. Da uns eher negative Glaubenssätze zurückhalten, überprüfe ich diese am liebsten. Die Methode, mit der ich das tue, nennt sich "The Work" (von Byron Katie) und sie stellt (negative) Glaubenssätze auf die Probe.
- Ist das wahr?
- Kannst du mit absoluter Sicherheit wissen, dass das wahr ist?
- Wie reagierst du, was passiert, wenn du diesen Gedanken glaubst?
- Wer wärst du ohne den Gedanken?
Allein die allererste Frage "Ist das wahr?" hinterfragt deinen eigenen, inneren Denker. Sie ermöglicht dir eine neue Herangehensweise und ein heraustreten, aus eingefahrenen Denkstrukturen. Im weiteren Verlauf der Methode stellst du dir vor, wie dein Leben aussehen würde und wie du dich fühlen würdest, wenn du frei wärst von diesem Glaubenssatz. Das kann ein ganz schönes Gedankenexperiment sein, denn immerhin gehörte der Satz bisher gut zu deiner Welt. Doch was wäre, wenn es anders wäre...
Stelle dich deinen eigenen Glaubenssätzen und Vorstellungen. Aber Vorsicht!
Es könnte passieren, dass deine eigene Vorstellung "wie jemand oder etwas ist" zu bröckeln beginnt und Risse bekommt. Doch das macht sie und dich selbst lebendiger. Wer weiß, vielleicht füllst du die Risse deiner Vorstellung mit goldenem Kit auf, so wie es in Japan bei gebrochenen Schalen üblich ist. Erst durch ihre Risse erlangen sie ihre wahre Schönheit.
Wer weiß das schon...
Das waren meine einfachen Gedanken bei Kaffee mit Hafermilch, die in Deutschland in der Mahatma-Gandhi-Straße hergestellt wurde.
Was sind deine Gedanken zu Vorstellungen und Glaubenssätzen? Hast du Lust deinen eigenen auf die Schliche zu kommen? Wie war es die ein oder andere weitere "Wahrheit" zu erleben?
Was denkst du?