In meiner Kindheit habe ich die Geschichten von Pippi Langstrumpf geliebt. Dieses Mädchen war anders als ich es vorgelebt bekommen habe, anders als ich es sein durfte. Sie spielte Streiche, lachte viel, hatte Spaß im Hier und Jetzt, sie wusste was sie wollte, sie wusste, was sie kann. Und wenn sie etwas noch nicht gemacht hatte, wusste sie, dass sie es gut machen wird. Sich abgrenzen und Nein sagen schien kein Problem für Pippi zu sein. Annika, eins der Nachbarskinder, führte ein Leben im Kontrast zu dem von Pippi. Sie hatte Angst vor negativen Konsequenzen, wenn sie Regeln nicht befolgte und war das, was wir wohl als "Braves Mädchen" kennen. Sie wiederholte die Sätze, die ihr eingetrichtert wurden: "Das macht man nicht." / "Das gehört sich nicht.". Pippi hingegen hatte die Regeln, die ihr von außen auferlegt werden sollten, nicht nur hinterfragt, sondern sich in den meisten Fällen eigene, alternative Regeln ausgedacht. Die Werte, die diese Regeln wahren sollten, waren offensichtlich nicht ihre eigenen. Sie hat klar ihre eigenen Bedürfnisse nach vorn gestellt und ist noch heute ein Vorbild für Sprüche wie "Sei wie Pippi, nicht Annika!", wenn es darum geht das eigene Leben zu leben und eben auch Nein zu sagen. Doch was ist schlimm daran, wenn wir nicht lernen Nein zu sagen?
Ich finde diese Liste liest sich sehr einengend, nahezu bedrückend. Andere entscheiden über mein Leben und ich lebe nur nach den Vorstellungen dieser anderen. Irgendwie ganz anders als der Traum nach Selbstbestimmtheit, Erfüllung und einem freien Leben wie ich es von Pippi Langstrumpf vorgelebt bekommen habe. Woran liegt das? Warum fällt uns Nein sagen oft schwer?
In unserer Kindheit haben wir möglicherweise gelernt, dass es "besser" ist unsere Bedürfnisse zu verdrängen oder hinten anzustellen, als dem anderen etwas abzuschlagen. Sätze wie "Du musst immer hilfsbereit sein.", "Das kannst du nicht machen!" oder "Sei nicht so egoistisch" prägen uns als kleine Menschen. Doch: Ist Nicht-Nein-Sagen wirklich die beste Alternative? Was passiert, wenn ich meinen "Ja-mache-ich-Reflex" überarbeite? Ich lerne, dass es gut sein kann, Nein zu sagen, auch wenn es vermeintlich schwer fällt. Ich lerne, dass ich Nein sagen üben kann und dass es viel öfter einen positiven Ausgang hat als einen negativen. Was sind also die Konsequenzen vom Nein-Sagen?
Im Grunde wissen wir, dass es gut ist sich auch um sich selbst zu kümmern. Doch Glaubenssätze wie "Sei nicht egoistisch" können uns hier sehr im Weg stehen und uns im schlimmsten Fall zu völliger Selbstaufgabe bewegen. Oder "Nur wenn ich das jetzt mache, wird es auch richtig gemacht. Ich muss es ansonsten ja eh nochmal machen". Zwei meiner "liebsten", inneren Monologe der vergangenen Jahre. Mit dem einen sage ich mir im Grunde, dass ich selbst weniger wichtig bin als alle anderen, der zweite Monolog scheint den ersten zu kompensieren, denn nur ich kann das Problem/die Aufgabe ja richtig lösen. Kein besonders schönes Spiel, das ich da mit mir gespielt habe. Ich bin froh, dass ich mich davon schrittweise lossage. Dieses innere "Was denken denn nur die anderen?" kann einen in den Wahnsinn treiben. Und was passiert? Meist nichts. Viele Stunden "Grübelarbeit" geht ins Land, doch mehr als eigene Energie ist dabei nicht verbraucht worden. Warum nicht mal etwas anderes probieren? Ich habe hier ein paar Alternativen, mit denen du Nein sagen kannst, ohne gleich komplett Nein zu sagen. ;)
Nein sagen ist nicht einfach, weil uns oft die Übung fehlt. Die vermeintlichen Gründe, warum wir es nicht einmal versuchen, habe ich oben aufgezählt. Nein sagen können wir nicht immer sofort zu 100% umsetzen. Wie andere Gewohnheiten braucht auch hier die Veränderung Zeit. Jeder Schritt ist einer in deiner eigenen Persönlichkeitsentwicklung. Es geht dabei um das Setzen von Grenzen. Aktuell weißt du ja noch nicht, wie dein Umfeld wirklich reagiert, wenn du anfängst öfter Ja zu dir selbst zu sagen. Das bedeutet für unser Gehirn erstmal Unsicherheit. Das Gute ist, dass wir Nein sagen lernen können. In kleinen Schritten, die zu uns passen, in denen wir uns nicht selbst überfordern. In welchen Situationen denkst du "Nein, das möchte ich nicht." und sagst "Ja, mache ich."?
Mit welcher Methode hast du Lust aus diesem Ja für die anderen ein Nein für die anderen und damit ein Ja für dich zu machen?
Am besten, ihr geht jetzt nach Hause - damit ihr morgen wiederkommen könnt. Denn wenn ihr nicht nach Hause geht, könnt ihr ja nicht wiederkommen. Und das wäre schade. (Pippi Langstrumpf)
Was denkst du?